Das Avicenna-Kartell
#20: Aktionsbündnis muslimischer Frauen (AmF) und der Kampf gegen das Neutralitätsgesetz
5.8 Aktionsbündnis muslimischer Frauen (AmF) und der Kampf gegen das Neutralitätsgesetz
Das Aktionsbündnis muslimischer Frauen e.V. (AmF)[1] kämpft gegen das Neutralitätsgesetz und setzt sich für das Recht auf Verschleierung von Musliminnen bei der Berufsausübung, insbesondere im Gerichtssaal, als Lehrerin, in der KITA und den Niquab an den Universitäten ein. Der Verein ist auch eine Plattform für Stipendiatinnen von Avicenna, wenn man so will, inspiriert von der „ideellen Förderung“ im Rahmen des Stipendiums.
Diese Geschichte beginnt bei Bundespräsident Johannes Gauck, dessen Handeln sicherlich nur mit den besten Absichten geleitet wird. Wobei es weniger um Gauck selbst geht, denn der evangelische Pastor steht nur sinnbildlich für eine Geisteshaltung im postmodernen Europa, die die liberale Reform-Muslimin und Menschenrechtsaktivistin Elham Manea als das sog. „essentialistische Paradigma“ bezeichnet.[2] Demzufolge ist die essentialistische Weltsicht geprägt von Identitätspolitik. „Muslime sind demnach keine Individuen mit Nationalitäten, Menschen mit einer Bandbreite von Denkweisen, Traditionen, Kulturen und Weltanschauungen. Nach dieser steht allein die religiöse Identität im Fokus ..., eine Denkweise, die Menschen verschiedener Nationalitäten auf ihre religiöse Identität reduziert, sie als homogene Gruppe behandelt und dabei ihre Kulturen und Religion essentialisiert.“ Das Thema Identitätspolitik wird in weiteren Kapiteln noch ausführlich besprochen.
Um die Bedeutung des Avicenna-Studienwerks sowie der Lebensleistung der Stipendiaten zu würdigen, empfing Bundespräsident Joachim Gauck den ersten Stipendiaten-Jahrgang am 14. November 2014 in seiner Residenz und gab ihnen Folgendes mit auf den Weg:
„Es gibt Sachen, wenn es sie nicht schon gäbe, müsste man sie erfinden. Deshalb bin ich froh und dankbar, dass es nun – man muss fast sagen: endlich! – das Avicenna-Studienwerk gibt (...) Ihr Namenspatron weist Ihnen die Richtung: Bleiben Sie offen, bleiben Sie kritisch, bleiben Sie engagiert. Seien Sie Vorbilder für diejenigen aus Ihren Familien, aus Ihren Milieus, für uns alle, die sich bemühen, Glauben und Engagement in Wissenschaft und Gesellschaft zu verbinden.“[3]
Die Jurastudentin Nardin Maarouf hielt am 17. November 2014 in Berlin bei der Aufnahmezeremonie des ersten Stipendiaten-Jahrgangs eine Rede, in der sie Gauck beipflichtete:
„Wir stehen für die gleiche Offenheit, die unser Hiersein und die Existenz des Avicenna-Studienwerkes überhaupt ermöglicht hat. Wir sehen diese Offenheit als Möglichkeit für eine inklusivere Gesellschaft. (...)
Für uns ist diese Förderung und Anerkennung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung ein starkes Zeichen. Es ist ein Zeichen der Wertschätzung der Wissenschaft. Es ist ein Zeichen der Wertschätzung der islamischen Werte, welche für die meisten von uns erste und letzte Bezugspunkte unseres Handelns und Denkens sind und unsere Identität gestalten. (...) Wir sehen uns als Motor der gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Weiterentwicklung und Meinungsbildung Deutschlands.“[4]
Nardin Maarouf hielt Wort; sie ist in der Tat ein Motor der gesellschaftlichen Weiterentwicklung in Richtung islamischer Werte. Auf der Website des AmF ist zu lesen, dass sie seit März 2019 studentische Hilfskraft beim AmF ist:
„Sie befindet sich zurzeit in den letzten Zügen ihres Jura Studiums und hat sich in diesem Rahmen unter anderem auch mit dem religiösen Wertewandel im Grundgesetz beschäftigt. Weiterhin absolvierte sie ein Praktikum im deutschen Bundestag und war Stipendiatin des Avicenna Studienwerks. Ehrenamtlich engagiert sie sich im internationalen Sportclub Alhilal in Bonn e. V. als Jugendwartin.“[5]
Das AmF ist Mitglied bei folgenden Netzwerken und Dachorganisationen: den neuen deutschen organisationen (ndo), dem Deutschen Frauenrat, UN-Women, #Unteilbar, dem Antidiskriminierungsverband Deutschland und der bereits ausführlich besprochenen CLAIM-Allianz, die sich dem Kampf gegen Muslimfeindlichkeit verschrieben hat, darunter etliche Organisationen mit Bezug zur Muslimbruderschaft.[6]
Das AmF finanziert sich über Spenden. Die Robert-Bosch-Stiftung ermöglicht die Durchführung des Projekts „Muslimische Frauen für mehr Teilhabe".[7] Ein anderes Projekt mit dem Namen „Erzähl Mir Nichts – Ich Kenne Meine Rechte“[8] wird gefördert vom Förderfonds Demokratie (https://www.foerderfonds-demokratie.de), der wiederum von diversen Stiftungen getragen wird: Bertelsmann Stiftung, Mercator Stiftung, Robert Bosch Stiftung, Deutsche Telekom Stiftung, Gerda Henkel Stiftung, Schöpflin Stiftung und Alfred Töpfer Stiftung.[9] Im April 2022 wurde das AmF in den Paritätischen Wohlfahrtsverband aufgenommen.[10]
Selbstbeschreibung des AmF:[11]
„Unsere Hauptaufgabe ist die Interessenvertretung muslimischer Frauen gegenüber der Politik, der deutschen Öffentlichkeit und innerhalb der muslimischen Community. Ein weiteres Ziel ist die Förderung der politischen Bildung und der internen Vernetzung muslimischer Frauen. Langfristig sind die Durchführung eigener Projekte (in Zusammenarbeit mit nicht-muslimischen Frauenorganisationen) und die bundesweite Unterstützung von Einzelprojekten geplant:
Wir verfassen Stellungnamen und Analysen zu Fragestellungen, die die Gleichstellung muslimischer Frauen betreffen.
Wir vermitteln Expertinnen und Referentinnen für Tagungen, Vorträge und wissenschaftliche Veranstaltungen.
Wir beraten muslimische Frauen in Diskriminierungsfällen hinsichtlich der Rechtslage.
Wir setzen uns proaktiv und in Zusammenarbeit mit anderen gesellschaftlichen Gruppen für die Rechte muslimischer Frauen ein.
Unseren Mitgliedern bieten wir eine Plattform zum internen Austausch.“
Fatma Erol-Kilic[12] hat eine Übersicht über die bisherigen Tätigkeiten des AmF visualisiert. Dafür passt folgender Begriff: Kopftuch-Dschihad. Es ist die Fortsetzung dessen womit Ferestha Ludin einst begann (vgl. dazu das nächste Kapitel Islamischer Feminismus oder feministischer Islamismus?).
Fatma Erol-Kilics Referenzen reichen tief ins islamistische Spektrum hinein: Inssan, Zahnräder Netzwerk, YouCon, DITIB, IGMG, JUMA und das AmF. Besonders empfohlen wird sie auch von einer Stipendiatin des Avicenna-Studienwerks.[13]
Im Rechtshandbuch für Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte in der Öffentlichen Verwaltung, Unternehmen und Beratungsstellen wurden über die Jahre mehrere Beiträge der AmF-Vorstandsvorsitzenden Gabriele Boos-Niazy veröffentlicht.[14] Es sind Beiträge mit den Titeln:
Die Auswirkung gesetzlicher Kopftuchverbote in der Praxis
Die Anwendung ausländischen Rechts in Verfahren vor deutschen Gerichten – am Beispiel des Verfahrens zur Heirat eines minderjährigen Flüchtlings
Die Situation kopftuchtragender Frauen nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts von 2015
Das Niqab-Verbot an der Christian-Albrechts-Universität Kiel Ende 2019 veranlasste das AmF zu einer Stellungnahme: Das AmF hält das geplante Verbot „für verfassungswidrig und darüber hinaus für kontraproduktiv im Hinblick auf eine gelingende Integration und ein friedliches Zusammenleben.“[15]
Im Vorstand des AmF sind vertreten:[16] Gabriele Boos-Niazy, Maryam Kamil Abdulsalam, Shabana Ahmed, Meryam Meguenni-Lfakir, Katja Schöneborn, Maisa Tarakji, Maryam Brigitte Weiß.
Mit Maryam Kamil Abdulsalam ist (neben Nardin Maarouf) noch eine weitere Kopftuch-Aktivistin aus dem Avicenna-Programm beim AmF vertreten: Sie „ist Doktorandin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Öffentliches Recht an der Universität Bonn. Dort lehrt, schreibt und forscht sie zu Themen des Sicherheitsrechts, des Verfassungsrechts und Gleichstellung. Gleichzeitig ist sie Promotionsstipendiatin des Avicenna Studienwerks e.V. und trägt in der AmF Vorstandsarbeit insbesondere durch ihre juristische Expertise bei.“
Sie ist seit 2014 Stipendiatin des ersten Jahrgangs des Avicenna Studienwerks. Sie engagierte sich in der islamischen Hochschularbeit als Vorstandsmitglied der Islamischen Hochschulvereinigung Bonn, die 2001 von Haluk Yıldız gegründet wurde und aus der später RAMSA hervorging. Sie Mitglied bei RAMSA und ist seit 2011 auch beim AmF. Sie verfasste die juristische Stellungnahme für das Bundesverfassungsgericht im Verfahren einer Erzieherin aus Stuttgart gegen das dortige Kopftuchverbot in KiTas, ließ das AmF auf deren Website verlauten.[17] In dem Sammelband NUR MIT UNS - Stimmen für eine vielfältige Politik, der von der Friedrich-Ebert-Stiftung zusammen mit der Iranischen Gemeinde in Deutschland e.V. herausgegeben wird, beklagt sie, dass Berufe wie „Lehrerin, Anwältin oder Richterin nicht ohne Probleme offen stehen, sollte sie je ein Kopftuch tragen wollen, wird nicht etwa denken: ‚Wenn ich aufgrund meiner Religionszugehörigkeit nicht Lehrerin werden kann, dann werde ich eben Bundeskanzlerin!‘ Ihre Agitation basiert auf dem vorgeblichen strukturellen Rassismus, der die Ausgrenzungserfahrung betont, wenn das Verbot religiöser Symbole von einer „fiktive(n) dritte(n) Person aus dem Kulturkreis der Bundesrepublik Deutschland“ überantwortet wird. Damit entscheidet letztlich die Perspekive einer fiktiven weißen Person darüber, wer bestimmte staatliche Ämter bekleiden darf und wer nicht.“ [18] Abulsalam schreibt auch für den Verfassungsblog. Darin wehrt sie sich gegen Pläne eines Moschee-Registers, die zu einer „Stigmatisierung von Religionsausübung“ führen würde und bezeichnet die als „Einstiegsdroge in einen staatsverordneten Laizismus“.[19]Verbände, die den Status einer Körperschaft öffentlichen Rechts erlangen möchten, ist Transparenz offenbar zu viel verlangt, findet Abdulsalam.
Es scheint nicht so zu sein, dass sich Avicenna-Stipendiatinnen beim AmF „zufällig“ engagieren. Dieses Engagement für AmF entspricht offenbar ganz den Vorgaben des Avicenna-Geschäftsführer Hakan Tosuner (ehemals MJD). Dieser preist die Muslimische Jugendarbeit von IGMG (Islamische Gemeinschaft Milli Görus) und MJD als Vorbild im Hinblick auf Ressourcen, Organisationsgrad, inhaltlicher Ausrichtung, Reichweite und Zugang zu staatlichen sowie zivilgesellschaftlichen Akteuren.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass der Kampf gegen die universalen Menschenrechte und die religiöse Neutralität des Staates auch über Avicenna-Stipendiatinnen geführt wird. Niemand hinterfragt das Treiben dieser Netzwerke wie das AmF, die sich besonders „nachhaltig“ für die Scharia-Rechte der Verschleierung (Kopftuch) bis zur Vollverschleierung (Niqab) einsetzen. Hierbei unterstützen Avicenna-Stipendiatinnen den Kampf legalistischer Aktivisten für die Akzeptanz patriarchaler Scharia-Symbolik.





https://muslimische-frauen.de (https://archive.is/ybpbX)
[2] Elham Manea: Der alltägliche Islamismus, 2018, S. 171ff.
[3] https://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Reden/DE/Joachim-Gauck/Reden/2014/11/141118-Avicenna-Studienwerk.html(https://archive.is/XnjPB); https://www.bundespraesident.de/SharedDocs/Termine/DE/JoachimGauck/2014/11/141118-Avicenna-Studienwerk.html(https://archive.is/5bQta)
[4] http://www.avicenna-studienwerk.de/pressemitteilungen/Maarouf_Rede.pdf
[5] https://muslimische-frauen.de/geschaeftsstelle/ (https://archive.is/R4sb8)
[6] https://muslimische-frauen.de/kooperationspartner/ (https://archive.is/Qqk2J)
[7] https://muslimische-frauen.de/muslimische-frauen-fuer-mehr-teilhabe/ (https://archive.is/KiQMc)
[8] https://muslimische-frauen.de/erzaehl-mir-nichts-ich-kenne-meine-rechte/ (https://archive.is/wz0ms)
[9] https://www.foerderfonds-demokratie.de/wir-ueber-uns (https://archive.is/P7gqw); https://www.foerderfonds-demokratie.de/projekte (https://archive.is/guwMd)
[10] https://muslimische-frauen.de/2022/04/08/aufnahme-des-amf-in-den-paritaetischen-wohlfahrtsverband/
[11] https://muslimische-frauen.de/das-amf/ (https://archive.is/pIz9A)
[13] Avicenna-Stipendiatin: „Frau Erol-Kilic überzeugte uns vor allem durch eine Vielzahl an einzigartigen Methoden, die die Inhalte der Veranstaltung überzeugend vermittelten, durch ihre kompetente Arbeitsweise und – sehr wichtig – durch eine empathische Betreuung unserer Teilnehmenden. Zweifellos konnte sie unsere Gäste durch ihre sehr angenehme Art begeistern, wie auch durch die Fähigkeit, sich an die wechselnden Bedürfnisse unseres heterogenen Publikums anzupassen." https://www.fatma-ek.de/referenzen/ (https://archive.is/2BMDB)
[14] https://muslimische-frauen.de/publikationen/ (https://archive.is/DQRYd)
[15] https://muslimische-frauen.de/stellungnahmen/ (https://archive.is/cHUc5)
[16] „Gabriele Boos-Niazy ist Sozialwissenschaftlerin mit zusätzlicher Islamologie-Ausbildung. Sie ist Gründungsmitglied des AmF und engagiert sich seit 2009 im Vorstand. Sie erstellt Fachtexte und hält Vorträge zu rechtlichen Themen wie der arbeitsrechtlichen Situation kopftuchtragender Frauen. Zu den Verfahren der Lehrerinnen vor dem Bundesverfassungsgericht und zur Klage einer kopftuchtragenden Erzieherin verfasste sie Stellungnahmen, die Eingang in die Verfahren fanden. Ihr Kommentar zu den Schlussanträgen der Generalanwältin Kokott (EuGH) wurde mit zwei weiteren Kommentaren als „Amicus Curiae“ dem Europäischen Gerichtshof übergeben. Darüber hinaus kümmert sie sich um die Beantwortung eingehender Anfragen, berät in Diskriminierungsfällen und vermittelt geeignete Referentinnen für Veranstaltungen.“ https://muslimische-frauen.de/vorstand/ (https://archive.is/nEF3r)
[18] Das Buch enthält Beiträge von Serpil Midyatli, Sawsan Chebli, Anna Dushime, Raphael Moussa Hillebrand, Zuher Jazmati, Karen Taylor (ENAR), Armaghan Naghipour, und Maryam Kamil Abdulsalam. https://www.fes.de/themenportal-flucht-migration-integration/artikelseite-flucht-migration-integration/nur-mit-uns-stimmen-fuer-eine-vielfaeltige-politik
[19] https://verfassungsblog.de/die-glaserne-moschee/